Eine leise Geschichte über eine deutsch-japanische Familie, die zwischen den Kulturen verloren geht und sich neu erfindet: Aki kehrt mit ihrer Mutter zu deren Familie nach Japan zurück und plötzlich zeigt sich die sonst so stille und vergessliche Frau in einer ungewohnten Lebendigkeit und Klarheit.
Bei den deutschen Großeltern von Aki gibt es ein altehrwürdiges Haus, einen riesigen Park und schweres Silberbesteck, das in einer Schatulle mit grünem Samt liegt. Zu Hause bei ihrer japanischen Mutter Keiko wiederum gibt es ein Sammelsurium an Stäbchen und täglich Misosuppe mit den Algen, die Yasuko – ihre Großmutter – aus Japan schickt. Obwohl schon länger keine Pakete mehr kommen, ist für Keiko klar, dass Yasuko noch lebt. Sonst hätte sich ihr Bruder doch gemeldet. Er habe nicht gewusst, was er wählen müsse, um nach Deutschland zu telefonieren, sagt ihr Onkel entschuldigend, als Aki in Japan anruft und erfährt: Yasuko ist gestorben – schon vor einigen Monaten, friedlich und im hohen Alter. So erzählt sie es ihrer Mutter. Immer und immer wieder. Doch die Botschaft scheint nicht anzukommen. Keiko merkt sich nicht, dass sie keine Mutter mehr hat. Keiko vergisst alles. Sogar den Vater von Aki.
Morgens nach dem Aufwachen
liegen wir auf dem Futon
und plaudern ein bisschen,
meine Mutter und ich.
Also beschließt Aki, zwei Flüge nach Japan zu buchen. Ein letztes Mal will sie ihre Mutter zu ihrer Familie nach Japan bringen – auch wenn sie weiß, wie riskant es ist, einen dementen Menschen aus seinem gewohnten Umfeld zu reißen. Sie wagt es dennoch. Und tatsächlich: Als Keiko in ihrem alten Elternhaus sitzt und mit ihrem Bruder und seiner Frau isst, öffnet sich etwas, was sich vor langer Zeit verschlossen hat. In den Jahrzehnten, die Keiko in Deutschland verbracht hatte – als Teil der Familie mit dem altehrwürdigen Haus, dem schweren Silberbesteck und einem rebellischen Sohn, der sich in eine junge Japanerin verlieben und sie heiraten sollte –, war sie langsam verstummt. Dann kam das Vergessen. Doch nun zeigt sich Keiko fröhlich und klar und spricht von sich selbst. So entsteht ein Bild, wer diese Frau einmal war ...
Ein melancholisches, hoffnungsfrohes, versöhnliches, leises Buch über eine deutsch-japanische Familie, die zwischen den Kulturen verloren geht und sich neu erfindet. Und: Eine in zärtlicher Klarheit geschriebene Geschichte, die sehr gut in den Herbst und dem inneren Rückzug passt.
Im Hanser Berlin Verlag um € 23,70 (A)