Lesestoff

Heinrich Steinfest
Der betrunkene Berg

Ich liebe den leichtfüßigen und zugleich tiefgründigen Stil von Heinrich Steinfest, wie er im Roman mit den Lesenden spricht und erklärt, was gerade passiert. Diesmal nimmt uns der österreichische Autor zu einem Berg mit: Auf 1.765 Metern Höhe betreibt Katharina eine Buchhandlung, die im Winter geschlossen bleibt. Dann lebt sie alleine dort oben, genießt die Stille, liest sich durch ihre Lesevorräte und dreht täglich eine Runde. Bei einer dieser Wanderungen findet sie einen Mann – halberfroren und ohne Gedächtnis.

Ohne sie wäre er erfroren, er war zu dünn bekleidet und lag im Schnee, in einer Mulde unter dem Gipfelkreuz: der Mann, den Katharina eines Nachmittags findet. Er scheint sein Gedächtnis verloren zu haben, weiß nicht, wie er dorthin gekommen ist und auch nicht wie er heißt. Sie nimmt ihn in ihre Buchhandlung mit, auf 1.765 Metern Höhe, wo sie im Winter alleine lebt. Dort bettet sie den Mann, den sie Robert tauft, weil er etwas Roberthaftes an sich hat, vors Kaminfeuer und päppelt ihn auf. Er wird gesund, kocht für Katharina, liest ihr vor, doch seine Erinnerung bleibt diffus wie eine Wolke.


Und dann kam die Wolke.
Oder Wolkenfront.
Sie kam völlig überraschend,
wie aus einer Lücke des Himmels geschleudert.


Apropos: In einer Wolke, in die Robert mit Katharina bei einer der Schneewanderungen gerät, kehrt die Erinnerung dann auch wieder zurück. Doch davor taucht noch eine verletzte Alpendohle auf, die in derselben Schneemulde wie Robert liegt. Robert beginnt, rätselhafte Skulpturen aus Schnee zu bauen und findet beim Blick auf den Gipfel, dass dieser irgendwie freischwebend wirkt oder wankend oder gar betrunken? Als nächstes stapft eine junge Frau auf Skiern daher – eine Lawinenspezialistin, die am Berg allerhand Berechnungen anstellen will. Doch dann gerät die Dreiergemeinschaft bei einer der Schneewanderungen in eine Wolke, die überraschende Erkenntnisse offenbart. Und dann beginnt auch noch der betrunkene Berg zu rumoren...

Eine tiefgründige Geschichte, obwohl sie hoch oben spielt: Heinrich Steinfest lässt seine Figuren einige Überraschungen erleben und zeigt, dass einem das Schicksal bis an die entlegensten Orte folgt. Dort und da übertreibt er es mit den Wendungen etwas, doch insgesamt ist „Der betrunkene Berg“ ein kurzweiliger, raffinierter und kluger Roman mit einer großen Botschaft: Die Wahrheit siegt immer.

Im Piper Verlag um € 22,70

Der betrunkene Berg
Kurzweilig, raffiniert, humorvoll, klug und tiefgründig, obwohl die Geschichte hoch oben spielt – in einer Buchhandlung auf 1.765 Metern Höhe. Dort zeigt sich, dass einem das Schicksal bis in die entlegensten Orte folgt.