Lesestoff
Lesestoff
Zugegeben, das ist ein dunkles Buch. Bisweilen verstörend. Stellenweise sehr traurig. Aber immer fesselnd – eine Gothic Novel, gerade recht für Herbstabende. Darum geht’s: Der Bass Rock ist ein Felsen vor der Küste Schottlands. Karg und abweisend ragt er aus dem Meer und wirft seinen Schatten auf North Barwick und seine Dorfgemeinschaft. Unter ihnen Ruth, die mit ihrem Mann und ihren Stiefsöhnen dorthin gezogen ist, um sich ein Leben aufzubauen...
Ein altes, zugiges Haus am Meer – den Bass Rock, diesen unbewohnten und kargen Felsen, stets im Blick: Hier lebt Ruth, nicht mehr ganz jung, aber jung genug, um ans Glück zu glauben. Sie ist mit ihrem Mann nach dem Krieg dorthin gezogen und bemüht sich um ihre beiden Stiefsöhne, die ihre Mutter vor gar nicht so langer Zeit verloren haben. Doch die Jungen sind unzugänglich und kommen bald ins Internat. Ihr Mann wiederum verbringt viel Zeit in London, um in seiner Kanzlei zu arbeiten. Ruth, das erste Mal schwanger, fühlt sich einsam und hadert mit der Abgeschiedenheit des Dorfes. Auch die einheimische Gesellschaft mit ihren seltsamen Bräuchen irritiert sie: Ein Pfarrer, der bei eisigen Temperaturen einen Segeltörn mit Kindern unternimmt? Ein Strandpicknick im Winter, bei dem die Frauen eigenartig kostümiert sind? Ruth versucht, sich an die Gepflogenheiten anzupassen, bis sie begreift: Das passiert nicht nur ihr. Es ist ein altes Spiel. Und sie soll es nicht gewinnen.
Denn sie wussten,
was sie tun.
Ein halbes Jahrhundert später lebt eine andere Frau im Haus am Bass Rock: Viv, eine Nachfahrin von Ruth, hadert mit ihrem Single-Dasein, aber auch mit den Gelegenheiten, es zu beenden. Zu viel Nähe stresst sie, außerdem schläft sie schlecht. In welchem Zimmer sie auch ihr Lager aufschlägt, ihr Geist bleibt unruhig – als ob Viv in dem Haus am Bass Rock von dunklen Geschichten heimgesucht wird. Geschichten von Frauen in Bedrängnis, von Frauen, die aufsässig waren und sich wehrten, von Frauen, die Aberglauben, Wut und Gewalt zum Opfer fielen. Irgendwann wird Viv in einer dieser unruhigen Nächte klar: Ihre Stiefgroßmutter Ruth ist nur eine davon gewesen. Das Haus am Bass Rock erinnert noch an eine andere Frau und ihr Schicksal. Doch wer war sie?
Abgründig, scharfsichtig, wild, komisch, atemberaubend und meisterhaft: Evie Wyld erzählt die Geschichte vom Haus am Bass Rock, wo sich die Schicksale von drei Frauen aus drei Zeiten berühren, die aber eines gemeinsam haben: Jede kämpft auf ihre Art für Unabhängigkeit.
Im Rowohlt Verlag um € 22,70
