Lebensstil

Amy Stanley
Tsunenos Reise

Die Historikerin Amy Stanley fand in einem Archiv die Briefe von Tsuneno, einer jungen Frau, die vor über 200 Jahren in Japan lebte. So entstand die Buch-Idee, ein persönliches Schicksal mit der Geschichte Japans zu verknüpfen. Was herauskam, ist ein faszinierendes Panoptikum einer versunkenen Welt – mit einer höchst unkonventionellen Nebenfigur.

Wir stehen am Beginn des 19. Jahrhunderts: Könige wurden enthauptet, neue Länder entstanden, gewaltige Seereiche erlebten Aufstieg und Fall. Doch in Japan herrschte Friede – seit 200 Jahren. Es ist die Zeit, in der Tsuneno lebt: in einem Dorf in einer abgelegenen Provinz, viele Tagesreisen von der Hauptstadt Edo entfernt, am Fuße steiler Berge. Tsuneno ist die Tochter eines buddhistischen Priesters, der sein Amt sehr ernst nahm. Alle Schriften, die sein Dorf betrafen, hob er penibel auf: Steuerbescheide, Quittungen, Pfandleihen und die Briefe seiner unkonventionellen Tochter Tsuneno.


Nun schrieb Tsuneno, dass sie
tatsächlich nach Edo gehen würde.


Es ist die amerikanische Historikerin Amy Stanley, die in einem Archiv auf die Briefe von Tsuneno stößt. Sie ist von ihren Schilderungen fasziniert und beginnt, dieses unkonventionelle Frauenleben zu rekonstruieren: Tsuneno war viermal verheiratet, verließ ihre Herkunftsfamilie und ihr Dorf in der abgelegenen Provinz, um in der Hauptstadt ein eigenständiges Leben zu führen. Um die Reise zu finanzieren, musste sie ihre kostbaren Kimonos verpfänden. Außerdem brach sie heimlich und in Begleitung eines fremden Mannes auf – damals ein großes Wagnis. In Edo kämpft Tsuneno mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten, doch sie schlägt sich durch, heiratet einen Samurai, trennt sich wieder und verärgert mit allem, was sie tut, ihre Familie. Zu ungewöhnlich ist Tsunenos Lebensreise!


War das nun das Ziel ihrer Träume?


Amy Stanley verknüpft die persönlichen Schilderungen von Tsuneno mit der Geschichte Japans. Dabei erzählt sie vom Alltagsleben in einer hermetisch abgeschlossenen Gesellschaft mit ihren traditionellen Geschlechterrollen, von der Macht des Shoguns und den Samurai mit ihrem strengen Ehrenkodex. Doch dann wandelt sich Japan, weil der Westen – allen voran die USA – auf Handel drängt. Als Tsuneno 1853 stirbt, löst sich auch gerade das alte Edo auf und aus der Asche entsteht eine neue Stadt: Tokio. Tsuneno hätte mit ihren modernen Ansichten gut dorthin gepasst…

Seitdem sind knapp 170 Jahre vergangen: Der Wunsch von Tsuneno nach Unabhängigkeit, ihre Wünsche, ihre Verzweiflung und ihre Hoffnungen klingen sehr vertraut. Historisch belegt, zugleich romanhaft, lebendig und spannend geschrieben!

Im Rowohlt Verlag um € 26,80

Tsunenos Reise
Am grünen Tee nippen und in eine versunkene Welt eintauchen: In „Tsunenos Reise“ verbindet sich das persönliche Schicksal einer Frau mit der Geschichte Japans im 19. Jahrhundert.